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Der 7. Deutsche Bundestag kommt am 13. Dezember 1972 zur konstituierenden Sitzung zusammen. Traditionell steht die Wahl des Bundestagspräsidenten an, an der auch der ehemalige St. Wendeler Landrat Werner Zeyer teilnimmt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik stimmt das Parlament für eine Frau: Annemarie Renger (SPD) wird Bundestagspräsidentin.
Am gleichen Tag ist auch eine Sitzung des Kreistags des Landkreises St. Wendel, weiterhin ein rein männliches Gremium, anberaumt, dies unter Vorsitz des Ersten Kreisbeigeordneten. Der erste Tagesordnungspunkt: „Zustimmung zur Ernennung des Regierungsdirektors Gerhard Breit als Nachfolger des Herrn Landrat Werner Zeyer“. Denn am 29. November informierte die Landesregierung die Kreisverwaltung über die beabsichtigte Neubesetzung der Landratsstelle. Seit 1964 muss der Kreistag dem zustimmen. Was die CDU-Fraktion gerne macht zudem die Landesregierung lobt, habe diese doch rasch eine Entscheidung getroffen und damit „eindeutig dokumentiert“, wie es im Kreistagsprotokoll heißt, „dem Landkreis St. Wendel schnellstens ein Organ zu geben, um die Interessen des Kreises bei der anstehenden Gebiets- und Verwaltungsreform zu vertreten.“ Auch habe man bereits ein persönliches Gespräch mit dem designierten Landrat führen können. Die SPD-Fraktion kritisiert, sie habe vom Vorschlag der Regierung erst aus der Presse erfahren, bezeichnet es als „Brüskierung eines Teiles des Organs“, sehe sich daher außerstande, der Ernennung zuzustimmen. Sie wolle sich enthalten, was aber keinesfalls als Ablehnung der Person zu verstehen sei, mit dem neuen Landrat wolle man im Interesse des Landkreises zusammenarbeiten.
Am 25. September 1930 in Schiffweiler geboren, studiert Gerhard Breit Rechtswissenschaften, tritt 1960 in den Staatsdienst. Zunächst ist er Mitarbeiter und Vertreter des Landrats in Homburg, dann in Saarlouis, wechselt danach als Verwaltungsjurist ins saarländische Innenministerium als Mitarbeiter in der Staatshoheitsabteilung, wird alsbald Referent für Bundestags-, Bundesrats, Landtags- und Kabinettsangelegenheiten, übernimmt später eine Unterabteilung der Kommunalabteilung. Ende Dezember 1972 tritt er das Amt als Landrat des Landkreises St. Wendel an und bleibt lediglich 14 Monate Leiter der St. Wendeler Kreisverwaltung und gesetzlicher Vertreter des Landkreises. Denn im März 1974 wird Breit zum Ministerialdirektor und Ständigen Vertreter des Innenministers berufen. Dies bleibt er bis zu seiner Ruhestandsversetzung im Jahr 1985. Gerhard Breit stirbt am 15. Mai 1990 in Wellesweiler.
Breit wird in turbulenten Zeiten Landrat eines Kreises, der zum einen mit dem Bostalsee gerade ein Großprojekt umsetzen will, zum anderen jedoch vor dem Hintergrund der geplanten Gebiets- und Verwaltungsreform um sein Bestehen bangt.

Nicht wenige stellen sich somit zur Amtseinführung Breits am 23. Dezember 1972 die Frage, ob eine Nachbesetzung der Landratsstelle sinnvoll sei, wird doch wenige Tage zuvor publik, die CDU-Landtagsfraktion habe sich bei einer Klausurtagung darauf geeinigt, das Saarland solle zukünftig lediglich aus zwei Landkreisen sowie der Stadt Saarbrücken bestehen. In Anbetracht der Stimmenmehrheit im Parlament scheint das Schicksal des Landkreises St. Wendel besiegelt. Und so bestimmte dieses Thema auch den Festakt in der St. Wendeler Kreissparkasse, nicht nur im Zuschauerraum, sondern auch am Rednerpult. Innenminister Ludwig Schur spricht es während seiner Festrede offen an: Natürlich habe sich die Landesregierung Gedanken gemacht, ob es sinnvoll sei, die Stelle nachzubesetzen. Und sei zum Entschluss gelangt, dass gerade jetzt der Landkreis St. Wendel einen Landrat brauche, „weil nur so die Interessen dieses Bereiches in den bevorstehenden Auseinandersetzungen um die Gebietsreform wirksam vertreten werden können.“ Der Innenminister geht noch einen Schritt weiter und gibt offen zu, dass er persönlich mit dem Entschluss seiner Fraktion nicht einverstanden sei.
Den „Ernst der Stunde“ anerkennend, fasst sich der neue Landrat in seiner Antrittsrede kurz, hält sich mit einer Bewertung der aktuellen Reformdiskussionen zurück, appelliert lediglich an Regierung und Landtag, „diesem Lande eine Reform zu geben, die die Fortsetzung der in unserem Land, in den Kreisen und in den Gemeinden begonnen Aufbauarbeit ermöglicht.“
Seine erste Kreistagssitzung leitet Breit am 8. Februar 1973. Diskutiert wird das ein Jahr zuvor in Auftrag gegebene Strukturgutachten, das dem Landkreis sowohl viel Licht, aber auch Schatten bescheinigt: Die vergangenen Jahre seien von einer relativ guten Entwicklung gekennzeichnet, doch nicht überall, denn es fehlen etwa insbesondere wohnortsnahe Arbeitsplätze, auch das Bildungswesen ist ausbaufähig. Wenige Tage vor Präsentation des Gutachtens werden neue Pläne der CDU-Landtagsfraktion bezüglich der Gebietsreform bekannt: Nicht mehr drei, sondern vier Kreise werden vorgeschlagen. Der Kreis St. Wendel soll mit Ottweiler zu einem Nord-Ost-Kreis verschmelzen, der Kreissitz soll allerdings nach Neunkirchen wandern. Die Verfasser des Strukturgutachtens, die auch während der Kreistagssitzung anwesend sind, nehmen diesen Gedanken auf und sprechen sich unisono gegen eine Verlegung des Kreissitzes aus. Auch der Kreistag widerspricht diesem Gedanken einstimmig, und zwar in einer Resolution, die ebenfalls am 8. Februar verabschiedet wird. Somit opponieren Kreis-CDU sowie Kreis-SPD gegen die Vorstellung ihrer jeweiligen Landesverbände, denn auch die Landes-SPD präferiert Neunkirchen als Kreisstadt.
Dies bewirkt auf Landesebene zunächst keinen Meinungsumschwung. Denn im März 1973 legt das Innenministerium einen Entwurf des Gesetzes „zur Neugliederung der Gemeinden und Landkreise des Saarlandes“ den Kommunen zur Stellungnahme vor. Darin ist Neunkirchen Sitz des aus den Kreisen St. Wendel und Ottweiler zu schaffenden Nord-Ost-Kreises. Zudem solle laut Entwurf das Bohnental sowie die Gemeinde Nonnweiler an den aus den Kreisen Saarlouis und Merzig-Wadern zu schaffenden Landkreis Saarlouis angegliedert werden. Dagegen – die Ausgliederung der Gemeinden – spricht sich der St. Wendeler Kreistag einstimmig aus. Jedoch nicht gegen die Verlegung des Kreissitzes: Die CDU-Fraktion möchte den Kreissitz in St. Wendel behalten, Neunkirchen aus dem Nord-Ost-Kreis ausgliedern, damit das ländliche, aber auch aufstrebende Gebiet des jetzigen Landkreises St. Wendel nicht abgehängt werde. Die SPD bevorzugt aber einen neuen Landkreis Nord-Ost unter Einbezug Neunkirchen: „Hier können sich Ballungsraum und ländliche Strukturen gegenseitig ausgewogen ergänzen.“ Somit wird die Stellungnahme zum Gesetzesentwurf mit den Stimmen der CDU und der Forderung, St. Wendel als Kreissitz zu erhalten, verabschiedet. Dieser Forderung bekräftigt die Kreis-CDU auf ihrem Kreisparteitag, für diese Forderung organisiert die Mittelstandsvereinigung der CDU eine Protestkundgebung am 16. Juni 1973 und sammelt rund 12.500 Unterschriften.
Währenddessen lädt die Landes-CDU zu einem Sonderparteitag zur Gebietsreform ein. Dort erreichen die Vertreter aus Saarlouis und Merzig-Wadern, dass die Landespartei vom Plan, aus Saarlouis und Merzig-Wadern einen Kreis zu schaffen, Abstand nimmt. Ein ähnlicher Antrag, der die Fusion der Kreise St. Wendel und Ottweiler verhindern will, wird allerdings abgelehnt. Enttäuschung und Fassungslosigkeit bei den St. Wendeler Delegierten. Nun mobilisiert die St. Wendeler Kreis-CDU alle Kräfte, wird in Saarbrücken vorstellig, um den Ministerpräsidenten, den Innen- und auch Wirtschaftsminister auf ihre Seite zu ziehen. Die CDU im St. Wendeler Stadtrat droht gar, geschlossen zurückzutreten, sollte St. Wendel nicht Kreisstadt bleiben; der CDU-Kreisvorstand empfiehlt der CDU-Kreistagsfraktion eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Landrat Breit und sein Vorgänger Zeyer, mittlerweile Bundestagsabgeordneter, Dr. Hans Maurer, CDU- Kreisvorsitzender und seit 1966 Präsident des Saarländischen Landtags, Jakob Feller, Amtsvorsteher des Amtes St. Wendeler Land und Landtagsmitglied, werfen ihr jeweiliges politisches Gewicht in die Waagschale. „Mit aller Entschiedenheit und Konsequenz“ wolle man für den Erhalt des Landkreises und der Stadt als Kreissitz kämpfen, heißt es kämpferisch aus Reihen der Kreis-CDU in der Saarbrücker Zeitung vom 18./19. August 1973.
Ein Kampf, der erfolgreich ist: Die CDU-Landtagsfraktion legt am 22. August 1973 einen neuen Entwurf vor: ein Fünf-Kreise-Modell, der Landkreis St. Wendel bleibt erhalten und soll sich aus den Einheitsgemeinden Freisen, Marpingen, Namborn, Nohfelden, Nonnweiler, Tholey und der Stadt St. Wendel zusammensetzen. Dass keine Einheitsgemeinde Oberthal entsteht, erregt den Widerstand der Oberthaler, die im Oktober eine zu einer Protestkundgebung aufrufen. Auch hier mit Erfolg, denn eine Gemeinde Oberthal ist im Änderungsvorschlag des Innenministeriums vom 22. Oktober aufgeführt. Keinen Erfolg hat das Ostertal, das für eine Einheitsgemeinde kämpft, nicht in die Stadt St. Wendel eingegliedert werden will. Trotz einer Protestveranstaltung in Marth durch die „Aktionsgemeinschaft Einheitsgemeinde Ostertal“, trotz heftiger Proteste des Gemeinderats Niederkirchen, bleibt dieser Wunsch unerfüllt.
Landrat Breit äußert sich bei Streitigkeiten zwischen den Gemeinden zurückhaltend und rät dem Kreistag, er solle „bei kontroversen Auffassungen zwischen den einzelnen Gemeinden gewissermaßen den Richter spielen“. Dies sagt er am 14. November, denn an diesem Tag diskutiert der Kreistag den Entwurf des Neugliederungsgesetzes. Daher ist auch die Stellungnahme der Verwaltung zu diesem Gesetz kurz und knapp: Man begrüßt, dass der Landkreis fortbestehen, St. Wendel Kreissitz bleiben soll, bittet die Regierung, jede Schwächung des Kreises zu vermeiden. Die CDU-Fraktion stimmt dem zu, die SPD-Fraktion hingegen bemerkt, dass ihrer Auffassung nach der Zuschnitt des Kreises zu klein sei. Und sie fordert darüber hinaus weiterhin die Schaffung einer Ostertal-Gemeinde. Dies lehnt die CDU ab, somit wird das Ostertal in die Stellungnahme an das Innenministerium nicht aufgenommen.
Am 1. Januar 1974 tritt das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Landkreise des Saarlandes in Kraft. In § 56 heißt es: „Der Landkreis St. Wendel besteht aus der Stadt St. Wendel und den Gemeinden Freisen, Marpingen, Namborn, Nohfelden, Nonnweiler, Oberthal und Tholey.“ Somit besteht der Landkreis fort. Ganz ohne Verluste geht es aber nicht: Buweiler-Rathen, Kostenbach und Mainzweiler werden abgetreten, Berschweiler hingegen an den Kreis angegliedert. Über Nacht schrumpft die Bevölkerung des Kreises um rund 1.000 Menschen: Zum 31. Dezember 1973 hat der Kreis 92.725 Einwohner, am 1. Januar 1974 sind es 91.663.

Während um die Gebiets- und Verwaltungsreform und somit auch um die Fortexistenz des Landkreises als Verwaltungseinheit gerungen wird, muss der Kreis weiter verwaltet werden. Dafür ist ein Haushalt notwendig, über den der Kreistag am 27. Februar 1973 für das laufende Jahr debattiert. Es ist die zweite Sitzung des neuen Landrats, der sich sogleich für den späten Termin entschuldigt: Der Amtswechsel an der Spitze des Landkreises verzögert den Haushaltsentwurf, auch liegen die Angaben zu den Schlüsselzuweisungen des Landes erst seit Kurzem vor. Der Umlagesatz müsse steigen, sagt Breit, auf 30 Prozent, seien doch die Ausgaben, insbesondere die Pflichtausgaben stark gestiegen: 4,87 Millionen DM werden voraussichtlich für die Sozialhilfe fällig, die Personalkosten steigen um 10 Prozent auf 3,13 Millionen DM, für das Schulwesen müssen 1973 3,29 Millionen DM aufgebracht werden. Der Kreistag widerspricht, beschließt einen Umlagesatz von 28 Prozent. Dies trotz eines weiteren Kostenfaktors: des Baus des Bostalsees, oder Bostalstausees, wie das Projekt noch genannt wird.
Landrat Breit rechnet im Februar vor: 1971 betragen die Grunderwerbskosten 3 Millionen DM, nun sind es 3,6 Millionen. Zwar übernimmt das Land den größten Teil dieser Kosten, der Kreis muss nun aber 250.000 Euro aufbringen. Insgesamt soll der Bau des „Wassersport- und Erholungszentrums“ 9,9 Millionen Euro kosten, der Kreisanteil dabei: 1,98 Millionen DM.
Wenige Tage später, am 9. März 1973, tritt der Kreistag erneut zusammen. Nimmt man die Kosten für die Straßenverlegung hinzu, so betragen die Gesamtkosten 15,8 Millionen DM. Davon übernimmt das Land 57,3 Prozent, der Bund 25,1 Prozent. Auf den Landkreis entfallen somit 17,6 Prozent. Diese Rechnung wird aufgestellt, weil eine wichtige Entscheidung des Gremiums ansteht: die Vergabe von „Lieferungen und Leistungen für den Bau des Bostalstausees“. Der Auftrag wird der Saar-Bau-Union erteilt, und zwar für 6,58 Millionen Euro. Im Frühjahr 1973 rollen somit die ersten Bagger an, der Staudamm wird gebaut. Der Spatenstich ist am 1. April 1973. Landrat Breit, sein Vorgänger Werner Zeyer, Hermann Scheid, Amtsvorsteher von Nohfelden, der saarländische Wirtschaftsminister Dr. Manfred Schäfer und Landtagspräsident Dr. Hans Maurer rammen ihre Spaten in das Erdreich, um den Start der Bauarbeiten zu symbolisieren.


Während die Bauarbeiten laufen, schreibt der Landkreis einen Ideenwettbewerb zur Gestaltung des Uferbereiches aus, den Landrat Breit organisiert. Und der Landrat ist im November als Krisenmanager gefragt: Denn bis November ist der Damm fertig, das Probeanstauen beginnt. Doch dann der unerwartete Schock: Der Damm ist undicht! Schnell wird das Wasser wieder abgelassen, die undichte Stelle gesucht. Sorge und Unruhe in Gonnesweiler und Bosen. Erneut muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Der Fehler wird gefunden, und zwar im Drainagesystem, sodass im Dezember der zweite Anstau beginnen kann, dies mit einem kleinen Festakt vor Ort. Dabei schließt Landrat Breit medienwirksam das Ablaufventil, um den Anstau zu starten. Schneller als erwartet füllt sich der See, da es ungewöhnlich regenreich ist. Das Schauspiel lockt zahlreiche Besucher aus nah und fern an, die am Neujahrstag 1974 mitverfolgen können, wie das erste Segelboot zu Wasser gelassen wird und eine erste Runde auf dem Bostalsee dreht.
Im März 1974 ist der See bereits zu einem Drittel gefüllt, geschieht das nächste Unglück: Aus einem Dränagerohr fließen pro Sekunde zehn Liter Wasser ab. Um die Ursache zu finden, wird zunächst der See um einen Meter abgelassen – doch vergeblich, niemand kann sich erklären, wie es zum Wasseraustritt kommt. Daher am 22. März 1974 die bittere, jedoch notwendige Entscheidung: Das Wasser im See, zu diesem Zeitpunkt 2,6 Millionen Kubikmeter, muss abgelassen werden. Erst, als das Wasser weg ist, offenbart sich die Ursache: Teile der Dammteerdecke sind abgerissen, unter der Decke sind Hohlräume entstanden. Ein Gutachter soll den Grund dafür ermitteln. Das Gutachten liegt im August 1974 vor: Wasser unter der Dichtung dringt in die Drainage ein, der Druck reißt die Teerdecke am Ablasswerk ab. Als das Gutachten vorgelegt wird – eine Ursache kann nicht ermittelt werden –, ist Gerhard Breit allerdings nicht mehr Landrat des Landkreises St. Wendel, der trotz kurzer Amtszeit für seine Bürgernähe, Fairness und ebenso seinen Einsatz für die heimische Wirtschaft von vielen Stellen gelobt wird. Und der zum Ende seiner Amtszeit betont, er habe es als böses Omen angesehen, der 13. Landrat des Kreises zu sein – ein Omen, das sich nicht bestätigt.