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Der erste Tagesordnungspunkt der Kreistagssitzung vom 13. März 1917 ist die Wahl eines ersten Kreisdeputierten, der der bisherige krankheitsbedingt sein Amt niederlegen muss. Die Wahl fällt auf das Kreistagsmitglied Alfred Friedrich, der Bürgermeister der Stadt St. Wendel ist. Dieser steht bis Mai dem Kreis vor und leitet somit auch die Kreistagssitzungen.
Während der Kreistagssitzung am 15. Mai 1917 – das Kriegsende liegt noch in weiter Ferne – beschließt der Kreistag des Kreises St. Wendel einstimmig, folgendes Huldigungstelegramm an den König von Preußen abzuschicken: „Eure Majestät bittet der versammelte Kreistag des Kreises St. Wendel die erneute Versicherung der unwandelbaren Treue zu dem geliebten Hohenzollernhause und dem deutschen Vaterlande huldvollst entgegenzunehmen. Mit dem ganzen deutschen Volke sind wir bis zum letzten Mann entschlossen, unseren Brüdern im Kampfe zur Seite zu stehen trotz aller Entbehrungen in unermüdlicher Arbeit und treuem Ausharren bis zum Siege. Unerschüttert ist unser Vertrauen, daß unter Eurer Majestät Führung Deutschland nach allen Opfern einen Frieden, der seine Zukunft fest sichert, erstreiten wird.“
Das Königlich Preußische Amtsblatt vom 9. Juni 1917 vermerkt auf Seite 142, dass dem Regierungsassessor Dr. Sommer zu Weißenfels die kommissarische Verwaltung des Landratsamtes im Kreis St. Wendel übertragen worden sei. Heinrich Sommer ist der letzte königlich-preußische Landrat im Kreis St. Wendel.
Geboren wird Sommer am 3. November 1882 in Berlin. Genf, Heidelberg, Straßburg und Greifswald sind Stationen seines Studiums der Rechtswissenschaft, in Greifswald wird er 1906 zum Dr. jur. promoviert. Beruflich ist er unter anderem in Königsberg (Ostpreußen), Wiesbaden, Biebrich und Kassel tätig, im November 1910 wird er zum Regierungsassessor an die Polizeidirektion Saarbrücken berufen, sechs Jahre später zum Vertreter des Landrats im Landratsamt Weißenfels (Sachsen-Anhalt). Am 12. Mai 1917 übernimmt er kommissarisch die Landratsstelle in St. Wendel, die definitive Ernennung erfolgt am 13. Mai 1918. Im August 1919 wird Sommer vertretungsweise zum Leiter des Landratsamtes in Pyritz (Pommern), 1924 zum Kurator der Universität Halle, 1928 der Universität Greifswald bestellt. Der Wechsel zum Oberverwaltungsgericht erfolgt 1934. Hermann Sommer stirbt 1945.

Sommer leitet bereits mehrere Monate lang kommissarisch die Kreisverwaltung, als der Regierungspräsident von Trier, wie es die preußische Kreisordnung von 1887 vorsieht, den St. Wendeler Kreistag auffordert, einen Vorschlag, mit wem die Landratsstelle besetzt werden solle, einzubringen. In seiner Sitzung vom 3. April 1918, an der als Gast der Vorsitzende des Verbandes Preußischer Landkreise teilnimmt, verzichtet der Kreistag einstimmig auf das Vorschlagsrecht und äußert die Bitte, „dass der jetzige Landratsamtsverwalter, Regierungsrat Dr. Sommer, zum Landrat des Kreises St. Wendel ernannt werden möge.“ Und so geschieht es dann auch.
Auf den neuen Landrat wartet keine leichte Aufgabe. Drei Jahre dauert nun der Krieg. Die Kriegswirtschaft macht weitere Reglementierungen notwendig, Nahrung und Rohstoffe sind weiterhin knapp. Lebensmittel werden zunehmend über Karten und Marken verkauft. Im Herbst 1917 gibt der Kreisausschuss bekannt, einige Tausend Zentner Herbstgemüse gekauft zu haben. Die Einwohner des Kreises werden aufgefordert, ihren Bedarf den Bürgermeisterämtern zu melden. Der Kreis reguliert bereits den Handel mit Eiern: Privater Verkauf bei Erzeugern ist verboten, Aufkäufer werden eingestellt (die entsprechend legitimiert sind, Eier von privaten Erzeugern zu kaufen), die Ausfuhr mit wenigen Ausnahmen verboten. Der Landrat ist der Vorsitzende der „Kreisfettstelle“, die die Verteilung von Butter und Milch im Kreis koordiniert. Kohle und Petroleum sind rationiert. Dies ist nur eine kleine Auswahl der vielen Maßnahmen, die während des Krieges die Not eindämmen sollen, zeitgleich jedoch den allgemeinen Mangel offenbaren.
Ein Mangel, der mit dem Ende des Krieges im November 1918 noch lange nicht behoben ist. Im gesamten Deutschen Reich überschlagen sich die Ereignisse: der Kaiser dankt ab, das Deutsche Reich kapituliert, die Republik wird ausgerufen. In seinen Memoiren, 1930 angefertigt, schreibt Landrat Sommer über diese turbulente Zeit: „Der König von Preußen, der mich mit eigenhändiger Unterschrift ausdrücklich verpflichtet hatte, ‚ihm und seinem königlichen Hause in unverbrüchlicher Treue ergeben zu bleiben‘ hatte auf seinen Thron verzichtet. Der Kronprinz auch! Wessen Beamter war ich nun, werde ich morgen sein?“
Eine berechtigte Frage. Währenddessen muss sich auch die Kreisverwaltung weiterhin vor allem um die Versorgung der Bevölkerung kümmern. Und währenddessen marschieren geschlagene deutsche Truppen der Westfront heimwärts durch den Kreis, ihnen folgen kurz darauf französische Soldaten, besetzten, wie in den Waffenstillstandsregelungen vereinbart, das Saargebiet: eine Administration Supérieure de la Saar unter einem Divisionsgeneral wird eingerichtet. Die Besatzungsmacht führt allerdings kaum Änderungen bei der Organisation der Kommunalverwaltungen durch, erlässt jedoch Bestimmungen, die die Lebensmittelnot mindern sollen.
In seinen Memoiren berichtet Landrat Sommer von Konflikten der französischen Besatzungsmacht. Und er macht diese dafür verantwortlich, dass er seinen St. Wendeler Landratsposten aufgeben musste: „Die Franzosen allein machten mir meinen Dienst und damit, daß ich von früh bis spät in Fühlung mit ihnen arbeitete, mein ganzes Leben so zur Qual, daß ich einer Beendigung dieses Zustands, soweit nur meine persönlichen Interessen in Frage kamen, durchaus gefaßt entgegensah. Ich glaube, mancher, der weniger als ich ausgesprochen Kampfnatur war, hätte an meiner Stelle nicht bis Ende Juli 1919 ausgehalten.“
Am 20. Februar 1919 leitet Sommer zum letzten Mal eine Kreistagssitzung als Landrat des Kreises St. Wendel, am 9. Juli zum letzten Mal eine Kreisausschusssitzung. Und das in turbulenten Zeiten: Schließlich sehen die Bestimmungen des Versailler Vertrages die Teilung des Kreisgebietes vor: 375 km² von einst 537 km² werden als „Restkreis St. Wendel-Baumholder“ abgetrennt und an Deutschland angegliedert. Der verbleibende Kreis St. Wendel mit rund 29.000 Einwohnern und 26 Gemeinden wird dem neu geschaffenen Saargebiet zugeschlagen. Die Abwicklung der Teilung des einstigen Kreises St. Wendel beschäftigt die beiden neu entstandenen Landkreise noch einige Jahre.