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1907 ist etwa ein Viertel aller Erwerbstätigen im Kreis St. Wendel in Bergbau und Industrie des Saarreviers beschäftigt – in den anderen preußisch-saarländischen Landkreisen sind es zwischen zwei Drittel (Saarbrücken und Ottweiler) und einem Drittel (etwa: Homburg und Merzig). Mit anderen Worten: Der Kreis St. Wendel bleibt weiterhin landwirtschaftlich geprägt. Zudem gehören zum damaligen Kreis auch die nördlichen, heute nicht zum Saarland gehörenden Gebiete, die weit entfernt von den Zentren der saarländischen Industrie liegen, wie die Bürgermeistereien Baumholder, Grumbach, Sien. Wirtschaftliches und gewerbliches Zentrum des Kreises ist die Stadt St. Wendel, verkehrstechnisch gut angeschlossen. Der übrige Kreis, insbesondere die nordöstlichen Gebiete, sind im Vergleich dazu eher unterentwickelt. Dem will Otto von Aschoff, seit dem 1. April 1906 kommissarischer Landrat in St. Wendel (definitive Ernennung am 28. September 1906), entgegenwirken: durch den Ausbau der Straßen vor allem in den östlichen Kreisteilen oder durch die Übernahme der Grunderwerbskosten beim Bau der Eisenbahnlinie von Heimbach (Nahe) nach Baumholder. Vorarbeiten für eine Eisenbahn-Nebenstrecke von St. Wendel über Tholey nach Lebach beginnen 1907.
Otto Friedrich Gustav Adolf von Aschoff wird am 9. Januar 1871 in Fraustadt (Regierungsbezirk Posen) geboren. Tübingen, Straßburg und Marburg sind die Stationen seines Studiums der Rechtswissenschaft, Kassel, Rüdesheim, Wiesbaden und Minden einige Stationen seines beruflichen Werdegangs in der preußischen Verwaltung.
Vor seiner Tätigkeit in St. Wendel wird er 1903 zum Regierungsassessor in Düsseldorf ernannt. 1917 verlässt von Aschoff St. Wendel in Richtung preußisches Landwirtschaftsministerium Berlin, wo er zuletzt Ministerrat ist. Otto von Aschoff stirbt am 16. Juni 1930 in Berlin-Schlachtensee.

55.025 Einwohner zählt der Kreis St. Wendel 1910, die Einwohnerzahl steigt somit in knapp 45 Jahren um 147 Prozent. Der Fortschritt hält nur langsam Einzug, so ist etwa die Anzahl der Automobile im Kreis recht überschaubar, in der Stadt St. Wendel gibt es beispielsweise nur drei. Seit 1908 verfügt die Kreisverwaltung über ein eigenes Auto, einen kirschroten Benz-Landaulet. Kosten: 17.000 Gulden. Der Monteur Adam Dallinger überführt das Automobil vom Werk in die Kreisstadt und bleibt gleich als Cheffahrer in St. Wendel – und zwar 40 Jahre lang, bis 1949, so dass er insgesamt acht Landräten dient. Übrigens fährt Dallinger während seiner vier Dekaden umfassend Dienstzeit unfallfrei.
1910 wird das Hebammenwesen im Kreis neu geordnet, um der Säuglingssterblichkeit Herr zu werden. So entstehen 33 Hebammenbezirke, denen jeweils eine Bezirkshebamme vorsteht. Der Kreis bezuschusst den Lohn der Hebammen (der von den Gemeinden entrichtet wird), zahlt ebenso Tagegelder und Reisekosten bei Nachprüfungen und Wiederholungslehrgängen, liefert unentgeltlich, wie es in § 10 der Hebammenverordnung heißt, die notwendigen „Instrumente, Gerätschaften und Bücher (…), desgleichen die Desinfektionsmittel für Armenentbindungen.“
Der Kreishaushalt setzt sich aus der Kreisumlage, die von den Gemeinden an den Kreis zu entrichten ist, zusammen, auch Zuschüsse und Gebühren kamen dem Kreis zugute. Zudem hat er Steuereinnahmen, etwa durch eine Hundesteuer, eine Betriebs- und eine Schankkonzessionssteuer – die Vergabe von Schankkonzessionen ist ein immer wiederkehrendes Thema der Kreisausschusssitzungen. Doch der Löwenanteil des Kreishaushaltes wird von der Kreissparkasse erwirtschaftet: 1914 beispielsweise 27 Prozent des Kreishaushaltes, der in diesem Jahr ein Volumen von etwa 334.500 Mark hat.
Mit den Schüssen von Sarajevo am 28. Juni 1914 taumelt die Welt in einen verheerenden Krieg, der bis 1918 andauert. Die vielen Gefallenenmale und –tafeln in den Orten des heutigen Landkreises St. Wendel erinnern an dieses Massenschlachten – ein Massenschlachten, das finanziert werden muss. So erhöht oder erhebt das Deutsche Reich diverse Steuern und Abgaben, doch insbesondere Kriegsanleihen stellen ein wichtiges Finanzierungsinstrument dar. Die Kreissparkasse St. Wendel zeichnet für die erste Kriegsanleihe im September 1914 eine Million Mark (von insgesamt 1,98 Millionen Mark aus dem gesamten Kreisgebiet), bei der zweiten Kriegsanleihe sind es 2,1 Millionen, im September 1915 2,0 Millionen, im März des folgenden Jahres 2,55 Mio. Mark. Bis zum Ende des Krieges wird die Kreissparkasse gemeinsam mit ihren Anlegern über 18 Mio. Mark zeichnen.
Die Bevölkerung des St. Wendeler Landes bekommt die Auswirkungen der Kriegswirtschaft insbesondere durch zunehmende materielle Not und Hunger zu spüren, da Lebensmittel und Rohstoffe rationalisiert werden. Die Kreisverwaltung muss sich daher stärker in den Bereichen der Lebensmittel- und Rohstoffversorgung engagieren, und das mit weniger Personal. So verbietet der Landrat im April 1916 bis auf Weiteres Hausschlachtungen, das Fleisch von Notschlachtungen soll den Gemeinden zum Kauf angeboten werden. Eine schriftliche Genehmigung des Landrats bei Hausschlachtungen ist ab Oktober vorgeschrieben. Bereits im Juli wird eine Ablieferungspflicht für Milch und Butter eingeführt, v. Aschoff bestimmte im August, dass alle Besitzer von Milchkühen zur Abgabe an die Verbraucher verpflichtet sind, sofern die Milch entbehrlich ist und nicht zur Butterherstellung gebraucht wird. Eine Verordnung, die den Handel mit Eiern reguliert, folgt im September. Diese und viele weitere Verordnungen, Vorschriften und Verweise zeugen von der Nahrungsmittelknappheit jener Tage und von dem Bemühen der Verwaltungsebene, dieser Verknappung durch Reglementierung und Regulierung, durch Eingriffe in Handel, Landwirtschaft und Viehhaltung Herr zu werden.
Im Einladungsschreiben zur Kreistagssitzung am 13. März 1916 legt Landrat v. Aschoff dar, er werde durch einen Ministerialerlass als Hilfsarbeiter in das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten nach Berlin versetzt. Und dies unverzüglich. Daher könne er die Kreistagssitzung am 13. März nicht mehr leiten. Weiter schreibt v. Aschoff, er bedauere „es auf das Lebhafteste, mich von den Herren Kreistagsabgeordneten, mit denen ich so lange Jahre hindurch gemeinsam tätig sein durfte, nicht mehr persönlich verabschieden zu können.“ Der Landrat schließt mit folgenden Worten: „Es bedarf wohl kaum der Hervorhebung, wie schwer es mir fällt, den Kreis St. Wendel, in dem ich so viele glückliche Jahre verleben durfte, zu verlassen; die Herren Kreistagsabgeordneten dürfen aber davon überzeugt sein, daß ich, wenn auch räumlich getrennt, auch in Zukunft die Weiterentwicklung unseres schönen Kreises mit lebhaftem Interesse verfolgen werde. Meine herzlichsten Wünsche sind und bleiben dem Blühen und Gedeihen des Kreises St. Wendel gewidmet.“