Abbildung von 12 Landräten des Landkreises Sankt Wendel, dahinter eine historische Aufnahme des Landratsamtes

1885–1900: Alwin von Hagen

Da Landrat Rumschöttel im Mai 1885 abdankt, übernimmt zunächst ein Regierungsreferendar die Verwaltung des Kreises St. Wendel, bevor am 2. Juli 1885 Alwin von Hagen zunächst kommissarische zum Landrat von St. Wendel ernannt wird; am 9. März 1886 dann endgültig.

von Hagen wird am 11. Juni 1854 in Lengefeld/Thüringen geboren. Nach Jurastudium und verschiedenen Anstellungen im öffentlichen Dienst wird er am 19. Mai 1885 kommissarischer Landrat in Heinsberg/Rheinland, wenige Wochen später Landrat im Kreis St. Wendel. Dieses Amt übt er bis zum 28. Mai 1900 aus, danach ist er zunächst Oberregierungsrat bei der Regierung in Trier, später Oberpräsidialrat in Koblenz. von Hagen stirbt am 30. Juli 1920 in Wiesbaden.

Zwei Jahre nach Ernennung von Hagens zum Landrat tritt am 1. April 1887 eine neue Kreisordnung für die Rheinprovinz in Kraft. Diese bewirkt eine Stärkung der Stellung der Landräte als Träger der kommunalen Selbstverwaltung. War der Landrat zuvor lediglich Organ der Regierung, lediglich Vorsteher eines staatlichen Verwaltungsbezirks, so wird er mit der neuen Kreisordnung zu einem wichtigen Mittelsmann zwischen Staatsverwaltung und kommunaler Selbstverwaltung. Ihm zur Seite stehen der nach Dreiklassenrecht gewählte Kreistag, dessen Vorsitzender er ist, sowie der neu geschaffene Kreisausschuss, bestehend aus dem Landrat und sechs Mitgliedern. Der Kreisausschuss ist unter anderem dafür zuständig, die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten und auszuführen, die Kreisangelegenheiten zu verwalten, die Kreisbeamten zu ernennen und zu kontrollieren. Der Kreistag beschließt also, der Kreisausschuss führt aus. Der Kreistag wählt zudem die Vertreter für den Provinziallandtag (Landesparlamente der preußischen Provinzen); bei den Bürgermeistern hat der Kreisausschuss das Vorschlagsrecht.

Auch die Zusammensetzung des Kreistags erfährt eine Änderung. Entsandten nach der Kreisordnung für die Rheinprovinz von 1829 die Städte bzw. Bürgermeistereien je einen Deputierten – der Kreistag des Kreises St. Wendel zählt somit zunächst neun Köpfe (sieben Bürgermeistereien sowie die Städte Baumholder und St. Wendel), seit 1839 14 –, so erhöht sich die Abgeordnetenzahl im Kreis St. Wendel mit der neuen Kreisordnung auf 24: Vier Mitglieder sind Großgrundbesitzer, die Stadt St. Wendel entsendet drei Abgeordnete, die Stadt Baumholder einen; die Bürgermeistereien 16, je nach Höhe der Einwohnerzahl (ein Kreistag hat für die ersten 25.000 Einwohner 20 Mitglieder, je weitere 5.000 ein weiteres; diese Regelung gilt für eine Einwohnerzahl unter 100.000).

Das Ende des 19. Jahrhunderts ist im Deutschen Reich eine Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs. Das Saarrevier seinerseits ist geprägt von Kohle, Eisen und Stahl, in den Gruben und Hütten finden viele Männer unter den 47.356 Einwohnern (1890) des Kreises St. Wendel Arbeit. Die Steuereinnahmen steigen, es wird rege gebaut. Der Kreis selbst bleibt weiterhin landwirtschaftlich geprägt, sodass die Förderung der Landwirtschaft, aber auch der Ausbau der Straßen weiterhin die Kreisverwaltung beanspruchen, zudem der Ausbau des Schulwesens.

Die Aufgaben der Kreisverwaltung wachsen, daher muss ein neues, größeres Verwaltungsgebäude her. Schon 1868 befasst sich der Kreistag mit dem Bau eines Kreishauses zur Unterbringung der Verwaltung und eines Sitzungssaales, falls, so ist der Kreistagsniederschrift vom 12. Dezember 1868 zu entnehmen, „nicht ein als Kreishaus geeignetes Gebäude requiriert werden kann.“ Es sollen noch einige Jahre vergehen, bis dieses Gebäude gebaut wird. Denn den Bau beschließt der Kreistag erst in seiner Sitzung vom 29. März 1899. Die Beschlussfassung: „Es soll hierselbst ein neues Kreishaus auf einem noch zu erwerbenden Bauplatze errichtet werden, enthaltend die Diensträume sowie Wohnung für den Landrath und Oeconomiegebäude.“

Der aus Ostpreußen stammende und in Saarbrücken tätige Architekt Hans Werner Weskalnys erhält von Landrat Alwin von Hagen den Auftrag zur Planung eines neuen Verwaltungssitzes, bis 1930 Kreisständehaus genannt. Wahrscheinlich nimmt sich der Architekt die Bauten seiner Heimat, Nord- und Ostdeutschland, zum Vorbild, denn das Gebäude ist ein Backsteinbau im neugotischen Stil. Neben dem Bau errichtet Weskalnys 1905/06 im gleichen Stil ein weiteres Gebäude, das zunächst Sitz der Kreissparkasse ist. In beiden Bauten sind bis heute Teile der Kreisverwaltung untergebracht.